Der Baum

Trotzig wie eine Burg klebt der Alte, wie ihn die Einheimischen nennen, am Asphaltrand.

Seine Wurzeln kriechen unter der schwarzen Decke zum Maisfeld rüber.

Blätter wellig und an der Spitze gebogen, halten Sonnenstrahlen ab.

Unzählige Zweige kreuzen sich und bieten quirligen Vogelpaaren Schutz und Nachkommenschaft.

 

Lang gestreckt fließt die staubige Landstraße zwischen den sanften Hügeln dahin.

Das Schicksal hat den Alten zum Einzelgänger bestimmt.

Von überall zu sehen, regiert der Baum als Leuchtturm der Region.

Geliebt von allen Dorfbewohnern, kehrt jeder gern zu ihm zurück.

 

Bei Regen dient er so manchem Wanderer als undurchdringlicher Schirm.

Seine Ruhe schafft Vertrauen und lädt zum Verweilen ein.

Nur die Ernte mit ihrem Motorengebrüll stört sein stoisches Gleichgewicht.

Dann wispern alle Zweige und Blätter - muss das denn sein.

 

Viele kleine Kinderarme können ihn kaum umschlingen.

Nicht nur Kinderaugen staunen über die tiefe Furchenpracht.

Heiße Liebesschwüre durfte er erlauschen.

Mit einem kurzen Kronenrauschen hat er so manches neue Glück auf einen sicheren Weg gebracht.

 

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