Die Zuflucht

Max greift nach Lindas Hand, die er in dem Schneegestöber kaum noch erkennen kann. Sie ist eiskalt und mit Mühe

zieht er ihr bei dem tosenden Treiben seinen eigenen lammgefütterten Handschuh über. Lindas Gesicht schaut so

schrecklich starr aus, dass Max überhaupt nicht davon ableiten kann, ob der zurück gewonnene Schutz ihrer Hände

durch ihren Körper und ihre Sinne wahrgenommen wird. Eine Verständigung durch Rufen und Schreien ist selbst aus der

geringsten Distanz zwecklos. Obwohl es Max inzwischen gelungen ist, seine Freundin dicht an sich heranzuziehen und

ihre Langlaufski nahezu Parallelität zueinander wieder gefunden haben, kann sie seine Mut spendenden gegen den

Sturm gebrüllten Worte nicht verstehen. So kann er ihr auch nicht seine Gedanken mitteilen, dass es keinen Sinn macht

irgendeine Richtung anstreben zu wollen, da die Sichtweite von nicht mal einem halben Meter keine Orientierung frei

gibt. Hinzu kommt die schneidende, windgepeitschte Kälte, die sämtliche Gedankengänge einfriert. So ist es auch mehr

eine mechanische Reaktion, als Max sich selbst und seine Begleiterin tief in die Hocke drückt und sie im Entengang

versuchen, die Ski vorwärts zu bewegen. Zwei Stunden muss dieser Wahnsinn bestimmt schon andauern, versucht Max

seine Gedanken zu sammeln, denn als sie aus dem tiefverschneiten Wald heraus fuhren, bevor sie die freien

Kammflächen  überquerten, war es Mittag. Während ihrer Rast am höchsten Gipfel begann sich nichts ahnend der

Himmel einzutrüben und es dauerte keine Viertelstunde mehr, als sich der sachte Flockenwirbel in einen

unberechenbaren und für sie an Heftigkeit undurchdringlichen Gewaltausbruch verwandelt hatte.

Er wendet sich mühsam Lindas Seite zu und seine Besorgnis weitet sich aus, als sie wie ein Eisklumpen bemüht ist mit

dem Schieben der Ski nicht aufzuhören. Ihre unter der dünnen Kapuze hervorgewehten Haare sind längst zu einzelnen

harten Speerzapfen gefroren und würde sie damit anstoßen, würde ihr Kopf unweigerlich durch einen ungleichmäßigen

Kurz-haarschnitt verstellt werden. Linda hat sich in den tiefen, pulvrigen Schnee sacken lassen und nur dadurch, dass

sich ihr Stock mit dem vom Max verheddert, bemerkt dieser ihr Zurückbleiben. Diese nicht mal zwei voneinander

getrennten Meter sind ausreichend, um eine Wand, die an das Verlieren grenzt, zwischen sie zu fegen. Ebenfalls der

Verzweiflung nah, strebt Max mit allen Kräften in die Richtung zurück, wo er Linda am Boden liegend vermutet. Wir

wollen doch nur einen harmlosen Winterurlaub genießen, schießt es ihm durch den Kopf und nun sind wir gefangen,

nicht schlimmer als es Amundsen hätte treffen können. Er kann sich noch gut an die spannenden Schilderungen über

den Polarforscher erinnern. Damals in dem kuscheligen Sitzsack waren solche Extremsituationen soweit weg und für ihn

unvorstellbar, selbst in eine solche Lage zu gelangen. Schließlich liegen die Ereignisse um den Polar-forscher und seine

Mannen, die beide Pole erkundet hatten, weit zurück. Am Nordpol schnappte ihm Peary noch den Ruhm weg, der Erste

zu sein. Den Südpol konnte Amundsen jedoch mit seiner Arktis Expedition 1911 unangefochten erobern und mit der

norwegischen Fahne schmücken. Kurioserweise so hat es Max noch im Gedächtnis, ist der berühmte Forscher bei einer

Suchaktion per Flugzeug selbst im Barents Meer verschollen.

Max versucht die Gedankenfetzen aus der Historie zu vertreiben, denn schließlich leben wir doch in einer technisch

hochmodernen Zeit und befinden uns nicht an den abgeflachten Polen unserer Erdkugel, sondern im Hochgebirge

Mitteleuropas.

Es bleibt ihm keine Zeit weiter zu zweifeln. Plötzlich krallen sich zwei Hände in die Ärmel seines hellroten Skirollis und

aufatmend kann er Linda wieder zu sich heranziehen. Dabei bemerkt er, dass sie ihre Ski verloren hat. Sicher liegen sie

noch ganz dicht bei ihnen, aber Max verzichtet auf die aufwendige Suche, legt Linda auf seine Ski und versucht nachdem

er die Stockschlaufen in den Bindungen verhakt hat, sich selbst auf allen Vieren und Linda in seinem Schlepptau vorwärts

zu bewegen.

Max weiß nicht, wie lange er diese Fortbewegung schon durchhält und welche Strecke sie bewältigt haben, als sein Kopf

an etwas Hartes stößt. Seine linke Hand, die sich nur wie ein Klumpen bewegen lässt, seit dem er Linda den Handschuh

abgetreten hat, steuert auf die harte Front zu und es bestätigt sich, dass sich ein Hindernis vor ihnen aufgebaut hat. Max

streift seinen rechten Handschuh ab, unter dem sich die Finger zu mindestens noch krümmen lassen und beginnt damit

das abzutasten, was bei ihm eine gehörige Beule am Kopf verursacht hat. Es fühlt sich an wie Rundhölzer und so kriecht

er weiter, immer noch die reglose Linda hinter sich her schleifend. Das darf doch nicht wahr sein, vielleicht haben wir

eine Hütte erreicht, keimen freudige Hoffnungen in ihm auf. Ja hier scheint ein rechter Winkel zu sein. Er hastet weiter

und registriert nach ein paar weiteren Knierutschern, dass eine Aussparung beginnt. Das kann doch nur eine Tür sein

glimmt seine Freude weiter und er beginnt die vereisten Hände hoch zu hangeln, um nach einer Klinke zu tasten. Seine

unbewegliche linke Faust klopf dabei heftig gegen das Holz. Noch bevor Max die Klinkenhöhe erreicht hat, wird die Tür

geöffnet und Max erkennt ein paar dicke filzige Socken.  

Was dann geschah, müssen sich die beiden vor dem Erfrieren Geretteten erzählen lassen. Evelyn und Klaus sind die

Zwei, die ihnen gegenüber auf Holzschemeln Platz genommen haben und zufrieden das Erwachen der Neuankömmlinge

begrüßen. Dankbar umklammern Ritas und Max Hände zwei riesige Pötte mit aromatisch duftendem Kräutertee.

Alles Körperliche scheint bei beiden wieder in Ordnung zu sein. Evelyn ergreift als Erste das Wort und stellt klar, dass sie

ebenso nur Gäste dieser gemütliche Behausung sind, zu der sie aus Vorsicht vor den Wetterunbilden zu Flucht

genommen haben. Klaus ihr Freund erklärt sie weiter, hat nämlich reichlich Erfahrungen mit den rasch wechselnden

Wetterkapriolen und zum Glück rechtzeitig eingeschätzt, dass sie es nicht geschafft hätten, ohne durch den Sturm

orientierungslos zu werden, zu einer bekannten Ortschaft umzukehren. Lächelnd fügt sie hinzu, Klaus hat einfach in

einem der hinteren Zimmern eine Scheibe eingetreten und an-schließend ein Brett aus dem Schuppen davor genagelt.

Nun ist aber gut, brummt Klaus dazwischen, was soll man denn in der Not machen und die Entwicklung des Sturms hat

ihm doch Recht gegeben. Aber mal ehrlich wendet er sich den beiden Teetrinkern zu, so eine Heftigkeit und ein so

unabsehbares Andauern habe selbst ich hier noch nicht erlebt.

Der wiederbelebte Max pflichtet den Worten seines Vorredners bei und setzt hinzu, na klar fordern extreme Situationen

auch extreme Handlungen. Die Besitzer hätten bestimmt Verständnis, dass sie nun in ihrer urig gemütlichen Baude,

abgeklärt darauf zurück blicken können, dem Tod entronnen zu sein. Wir müssen auch keine Befürchtungen haben vorm

Verhungern plappert Evelyn dazwischen. Es gibt genügend Konserven. Die Hausbesitzer haben ihr Domizil perfekt im

Griff und scheinbar an alles gedacht. Die einzige Unannehmlichkeit lacht Klaus ist, dass wir die Tür öffnen müssen, um

Schnee zum Wassertauen in den Topf zu schaufeln. Na ja und das menschliche Bedürfnis erledigen wir gleich an einer

kleinen Hintertür, die zum Schuppen mit dem Brennholz führt.

Direkt romantisch so am flackernden Kamin aufzutauen und das zurückkehrende Kribbeln in den Gliedern zu spüren,

denkt Max und die beiden Retter machen auch einen ganz passablen Eindruck. Nachdem die beiden Frauen die

Küchenarbeit erledigt haben, lässt Linda sich von Evelyn in die restlichen Räume der Baude führen. Eigentlich gibt es

nicht viel zu sehen, wir müssen nur die Schlafmöglichkeiten klären, beginnt Evelyn die kleine Runde. Als Linda einen

Blick in das Schlafgemach wirft, beeilt sie sich zu versichern, dass die beiden doch bereits daran gewöhnt sind und sie

könne mit Max auch gut auf der Couch unten zurecht kommen. Okay zwitschert Evelyn, dann werde ich meinen Tarzan

mal hoch lotsen.

Endlich allein flüstert Linda ihrem liebsten Max zu. Ist doch herrlich nach so einem schrecklichen Erlebnis, als schon

alles verloren geglaubt war, mit dir auf dieser engen Couch neben dem erloschenen Feuer, aber immer noch erwärmt

zu kuscheln. Du hast so recht mein Spatz und ich bin schon sehr gespannt, ob wir morgen wieder einen normalen Blick

aus dem Fenster präsentiert bekommen, gibt der gähnende Max zurück.

Die beiden eng aneinander gekrümmten Couchschläfer werden durch ein Poltern auf den schmalen Holzstufen geweckt.

Nur spärlich bekleidet trampelt Klaus über die knacksenden Küchendielen, reißt den Kühlschrank auf und lässt so gleich

eine Bierbüchse knallen. Er macht sich nicht die Mühe nach dem gierigen Absetzen der Büchse einen Rülpser zu

unterdrücken und wirft den verschlafenen Hüttenmitbewohnern lautstark entgegen. Na war wohl ziemlich eng auf eurem

Liebesnest? Da oben haben wir doch eine riesige Liegewiese und ihr hätten noch gut mit darauf gepasst. Hatte die

letzten beiden Nächte einen tollen Fick mit meinem Häschen auf den knarrenden Matten. Oh Gott durchfährt es Max,

physisch sind wir dem Teufel von der Schippe gesprungen, sehen wir nun einem psychischen Terror entgegen?

Dabei wendet er sich besorgt Linda zu und setzt seine Überlegungen fort, ob Linda damit klar kommt, die sonst nur in

einer Welt lebt, wo zu entscheiden ist, ob Schiller oder Lessing der größere Dichter ist. Ganz bleich ist die ohnehin schon

zarte Linda geworden und das leichte Beben ihrer schmalen Nasenflügel verrät Max, dass ihre Empfindsamkeit bereits

angegriffen wurde. Unbekümmert schlurft der Grobian zurück ins Schlafgemach und lässt die beiden mit einem breiten,

anzüglichen Grinsen zurück.

Linda flüchtet sich in ihrer Betroffenheit in die sie fest umschließenden Arme Max. Da hatte ich mich gestern doch nicht

geirrt und vorschnell ein Vorurteil gefällt, flüstert sie Max vorsichtig zu, als mir seine Ohrgehänge und die Tätowierung am

Hals unsympathisch aufstießen. Kann mir schon vorstellen, wie sich das grässliche Ornament fortsetzt,. Hinter dem

äußerlichen Gehabe und den hohlen großspurigen Getöne, steckt meist eine Verklemmtheit, die durch besondere

Rohheit übertüncht werden soll, beendet Linda ihre soziale Analyse.

In dem Moment hüpft Evelyn die Treppe herunter und stellt die einzig vernünftige Frage. Na hat sich schon einer davon

überzeugt, ob sich die grausame Sturmlage entspannt hat und mit uns Frieden schließen will? Tatsächlich davon sind

wir durch das obszöne Benehmen von Klaus völlig abgelenkt wurden, resümiert Max sein Versäumnis. Denn nichts

scheint ihm nach dieser jüngsten Erfahrung so wichtig, wie einen raschen Schlussstrich mit den neuen Bekannten

ziehen zu können.

Beim gemeinsamen Frühstück vermeiden es Max und Linda den direkten Blickkontakt mit Klaus aufzunehmen. Linda ist

froh, dass sie den weiten Strickpullover noch rasch überziehen konnte, bevor Klaus erneut die Treppe herunter gedonnert

kam. Denn heute spürt sie ganz deutlich, dass der gierige Blick des rohen Mannes ihre Kleidung durchdringen möchte.

Hallo Kinder, das sieht ja noch genauso verheerend aus wie gestern, posaunt der gut gestimmte Klaus, als er vom

Schneeholen in die wärmende Stube zurückkehrt. Könnte uns doch richtig gut gehen hier, stimmt er frohgemut weiter

und bedient sich unverfroren aus dem Spirituosenschränkchen der unbekannten Besitzer. Herrlich dieser Scotch Whisky

schnalzt er ordinär mit der Zunge. Eigentlich fehlt uns jetzt nur noch die Glotze oder findet ihr es nicht auch öde auf die

geilen Fernsehshows verzichten zu müssen? Max fühlt sich gemüßigt eine Antwort zu geben. Wir vermissen die

flimmernde Kiste eigentlich weniger, wann gibt es da schon mal was Gescheites im Programm. Na mein Alter du kennst

dich wohl gar nicht aus, amüsiert sich Klaus über derartig lausige Ansichten. Mensch da läuft gerade eine super tolle

neue Staffel, wo man die Partnerin für eine Woche tauschen kann. Habe mich auch schon beworben, aber verdammter

Mist die Wichser haben mir noch nicht geantwortet. Dabei klatscht er Evelyn rücksichtslos auf ihr Hinterteil und höhnt,

wäre doch phantastisch mein Püppchen, wenn ich es auch mal einer anderen besorge. Vielleicht schwärmt die auch so,

wenn ich ihr, na heißt wohl vornehm, anal einen verbrumme.

Linda und Max wissen gar nicht, wie dieser grässliche Tag vergehen konnte, denn die ungezügelten Frivolitäten von

Klaus wollten kein Ende finden. Maßlos verkonsumiert er den fremden Whisky und behält die Flasche noch in der Hand,

als er auf Evelyn gestützt nach oben torkelt. Der anschließende Lärm dringt so ungedämpft nach unten, dass Max und

Linda seine wilden Flüche deutlich vernehmen können. Evelyn fleht ihn zwar an, doch heute mal Rücksicht auf die

Mitbewohner zu nehmen, aber es ist zwecklos. Zynisch quittiert er ihre Bitte, was jammerst du alte Schlampe, soll ich mir

erst die feine Zicke von unten raufholen? Voller Gier reißt er ihre Beine hoch und dringt brutal in sie ein. Ist doch toll die

Stellung der chinesischen Hängematte keucht er Evelyn mit seinem widerlichen heißen Atem entgegen. Wie aus Reflex

vor dem widerwärtigen Akt und den Schlägen mit denen er sie mittlerweile übermütig am Gesäß und den Schenkeln

traktiert, stößt sie ihre gequälten Beine gegen seine Brust. Der heftige Beinschlag schleudert ihn gegen das Fensterkreuz

gleich neben der Bettkante. Mit einem gewaltigen Krachen bersten die Holzsprossen und sein Körper taucht ein in das

Klirren des splitternden Glases.

Max und Linda durchfährt der Schreck, als sie dieses Poltern und Krachen vernehmen. Max springt auf, doch Linda will

ihn zurück halten. Bleib hier, das ist doch deren Sache, was sie sich antun. Max zögert nicht, überspringt jede zweite

Stufe und sein Blick landet zuerst auf der schluchzenden Evelyn, die die Beine bis unter das Kinn gezogen hat und als er

davon weg schwenkt, bohrt sich sein Blick auf die blutige Fleischmasse, die grauenerregend halb aus dem  Haus

hinausragt. Keiner der beiden registriert den eisigen Luftzug, der unaufhörlich durch das gebrochene Fenster hereinfegt.

Zu schockierend ist die Situation, als das ihr einer in diesem Moment gewachsen wäre. Max zieht die erschütterte Evelyn

vom Bett und trägt sie behutsam nach unten.

Erst nach einer ganzen Weile und als das Schluchzen von Evelyn verebbt ist, findet Max die Kraft auf die Lage

einzugehen. Ihr beiden bleibt jetzt hier unten, macht uns einen heißen, starken Kaffe und ich schaue mich oben um,

damit wir gemeinsam entscheiden können, wie es weiter geht.

Am Unglücksort angekommen, tritt er ohne Scheu dicht an das Opfer heran und kann erkennen, dass die Unmengen

Blut aus der Halsschlagader entsprungen sein müssen. In der Wunde steckt ein dreieckförmiges Teil. Absurd, dass ich

in diesem Moment die gleich-mäßigen Schenkel des Glasdreiecks bewundere und darüber nachdenke, wie der

Pythagoras seine Formel aufgestellt hat. Lieber sollte ich nüchtern kalkulieren, wie man den Kerl, der es nicht besser

verdient hat, beseitigt, ohne das seine ehemalige Gefährtin es ihr Leben lang ausbaden muss. Wortlos begegnet er den

Blicken der Frauen, die hilfesuchend auf ihn geheftet sind, als er die Treppe bedächtig nach unten steigt. Alle drei

signalisieren, dass sie sich darin einig sind, das Problem stillschweigend zu lösen. Aber wie scheinen die fragenden

Augenpaare der Frauen den Ausweg bei Max zu suchen. Auf der Couchlehne sitzend stützt er seine Kopf auf beide

Hände und schaut nachdenklich ins Feuer. Ich habe es, verkündet er erleichtert, wir beseitigen jegliche Spuren und

verbrennen den Mistkerl im Kamin. Zuerst schauen die beiden Frauen erschrocken, schließen sich aber so dann seinem

Eifer an.

Max kehrt mit einem alten Spänesack und einer Säge bewaffnet aus dem Holzschuppen zurück. Gemeinsam begeben

sie sich nach oben und vor allem bei Linda, die zum erstenmal das Geschehen in seinem ganzen Ausmaß erfasst,

beginnen die Hände zu zittern. Kurz ent-schlossen überbrückt Max die Unsicherheit, weist die beiden an, die Lacken

abzuziehen und sonstige Blutflecken zu entfernen, um sogleich selbst ans Fenster heran zu treten und damit anzufangen,

den Körper in handliche Teile zu trennen. Wie benommen schleichen sie wieder nach unten, als sie die scheußliche

Arbeit beendet haben.

Es ist spät geworden und als Max die beiden zum Schlafen nach oben beordern will, weigern sich Linda und Evelyn

vehement, der Bitte nachzukommen. Jeder ist es unmöglich im Zim-mer des Grauens die Nacht zu verbringen und alle

haben das Bedürfnis möglichst nicht allein zu bleiben. Lieber mummeln sie sich in Decken und verharren reglos, bis auch

die letzten menschlichen Teile bei weit aufgerissenen Fenstern im Kamin zu unbedeutenden Aschehäufchen zusammen

gefallen sind.

Der nächste Morgen lässt die verschlafenen Augen aufblinzeln. Es erscheint den dreien so ungewöhnlich, der Natur

außerhalb der vier Holzwände bewusst zu werden, dass sie für einen Moment keine Erinnerung an das Gestern haben

und nur die Befreiung aus der Unwetterumklammerung genießen. Keiner spricht ein unbedachtes Wort und jeder bemüht

sich peinlichst völlig unbefangen von der Rückkehr in die Zivilisation zu plaudern. Es ist ein unterbewusstes

Unterdrücken von Schuldhaftigkeit, die doch gar nicht berechtigt ist. Jeder weiß es und doch kann es keiner einfach so

abschütteln. Max ist der Nervenstärkste und er lenkt die Frauen mit der Organisation für ihren unbemerkten Rückzug ab.

Eigentlich braucht jeder nur strikt darauf zu achten, nichts von seinen persönlichen Sachen zu vergessen. Ansonsten ist

das Haus so komplett geschruppt wurden, dass man auch im dümmsten Fall nicht auf die drei Unbekannten stoßen

dürfte.

Sie treten zum Ersten und Letzten Mal heraus und lassen sich sofort von den wärmenden Sonnenstrahlen verwöhnen.

Die Sicht ist herrlich frei und kilometerweit gewährt sie den Blick auf die Umgebung. Als wollte sie alle veralbern und

fragen, war hier irgendetwas Ungewöhn-liches vorgefallen?

Stumm wandern die Drei den Abhang hinab, versacken ab und an im weichen Schnee und beschließen an der ersten

sichtbaren Gabelung noch vor dem nächsten Ort unterschiedliche Wege einzuschlagen. Linda umarmt die gefasst

wirkende Evelyn und Max unterstreicht ihr gemeinsames Mitgefühl mit dem herzlich gemeinten Ratschlag, dass man aus

jeder Erfahrung gestärkt hervor gehen kann und sie einem die Chance bietet, sich als Mensch noch wertvoller zu

entwickeln.

Winkend schreiten sie weiter und rufen der einsamen Wanderin ein aufrichtiges Alles Gute für dich Evelyn hinterher.

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