Kurzgeschichten

Die versperrte Sauna

Julia schaut unkonzentriert in den Spiegel und ist sich nicht im Klaren, ob denn nach zweiunddreißig Jahren die ersten Schatten über ihr Gesicht huschen dürfen. Bedächtig reibt sie die feingliedrigen Händen, ihr kostbarstes Gut, denn als Illustratorin ist sie nicht nur auf ihre geistreichen Einfälle angewiesen, sondern die erfahrene Motorik vom Handgelenk bis in die Fingerspitzen ist unersetzlich. Danach überträgt sie die sanfte, betörende Salbung auf ihre schmalen Wangenknochen.

Der leise Abschied

Ihr Lächeln ist das Schönste was Max in Erinnerung bleibt. Der Zug rattert hustend bei jeder überfahrenen Schwelle dahin und entfernt ihn immer weiter und schneller von seinen glücklichsten Lebensjahren.

Die Bootstour

Keiner im Dorf hätte daran geglaubt, dass dieser knochenharte Winter ein Ende nehmen würde. So schön der Beginn war, als sich bereits im November der Himmel säckeweise mit Tonnen der kleinen weißen Kristalle über der flachen Landschaft entlud, hat die Dauer der bitteren Kälte in so manchem Gehöft und auf den ohnehin mittelprächtig geteerten Landund Feldstrassen erhebliche Schäden angerichtet. Das scheint jetzt, wo auf einen Schlag

Die Schlammlawine

Zu Hause angekommen, lässt Birgit einen lauten Jauchzer in ihre stille Wohnung hinein schallen. Nur schnell die Füße hoch denkt sie und zur Entspannung ein weinig durch die Kanäle zappen, bevor ich mit dem Kofferpacken beginne.

Die Suche nach dem Ich

Eigentlich hatte ich mir diesen Samstag ganz anders vorgestellt, als den Verlauf, den er nun nehmen sollte.

Der Brief

Dreimal hört Madlaine die Standuhr schlagen. Noch bevor sie sich der Illusion hingeben kann, ihren diesmal so romantischen Traum fortzusetzen, springt das Radio an und der Moderator,

Der Tag an dem sie ging

Jetzt wo es soweit ist, spürt sie nicht mehr den frohen Mut, der ihr die Entscheidung bis hier her so erleichtert hat. Das Absterben der letzten Jahre wird Sylvia erst in diesem Moment mit der Hand auf der Wohnungsklinke wirklich bewusst.

Die Besinnung

Wie lange hatte sie sich schon keine Zeit mehr für sich selbst genommen. Als sie heute nach Hause kam, hat sie einfach alles stehen und liegen gelassen, sich einen C&A Beutel geschnappt, dass hart gewordene Brot hinein gekrümelt, den eleganten Hosenanzug mit der weiten Schlamperhose und dem kuscheligen Wollpullover getauscht. Dann ist sie losgezogen, nur mit dem Gedanken, endlich abschalten, eintauchen nur in mich selbst.

Das Teleskop

Wieder einmal will die Zeit nicht vergehen. Nicht nur, dass die vorweihnachtliche Stimmung überschattet ist durch eine lustlose Wetterlage, ohne Atmosphäre schaffende Kälte und seelenreinigenden Schnee, nun warte ich auch noch auf meine liebste Abwechslung.

Die blaue Plane

Mitten im Pauluspark liegt Jakob, die Beine eng angezogen auf einer der altertümlichen Bänke unter den Schatten spendenden, wuchtigen Kastanien. Für den dreißigsten April ist es noch recht frisch und in der Nacht hat es unaufhörlich aus den düsteren Wolken gegossen.

Das unerwartete Paket

Nichts erscheint Henry trügerischer, als wenn am Morgen die Sonne durch die Jalousien ihres Schlafzimmers blinzelt.

Die Zuflucht

Max greift nach Lindas Hand, die er in dem Schneegestöber kaum noch erkennen kann. Sie ist eiskalt und mit Mühe zieht er ihr bei dem tosenden Treiben seinen eigenen lammgefütterten Handschuh über. Lindas Gesicht schaut so schrecklich starr aus, dass Max überhaupt nicht davon ableiten kann,

Das weiße, hinkende Pferd

Es ist wieder mal so weit. Die Stalltüren werden weit aufgerissen und eine fröhliche Kinderschar strömt mit erwartungsvollen Blicken herein, macht sich breit vor den urig stinkenden Boxen und amüsiert sich über die zurückschreckenden Vierbeiner.

Das Telefonat

Sie nimmt das Handy aus der Ladeschale und hört die Stimme ihrer besten Freundin Daggi. Na endlich Emilia mal nicht dein Anrufbeantworter schreit Daggi durch den Hörer. Du bist ja wie einer meiner Käfer, der sich unter den Palmenwedeln verkriecht.

Der verhinderte Überfall

Endlich ist es so weit. Heute ist der vierzehnte Juli, der Tag, den Julia schon seit längerer Zeit sehnlichst herbei wünscht.

Die Reisende

Mitten über der Riesenmetropole des Landes tobt ein erbitterter Kampf des Hochs Albert mit dem Tief Nora und alle Schlafenden der Nacht, die nichts davon ahnen können, würden sich sehnlichst eine Entscheidung vor dem Morgengrauen wünschen. Die letzten Tage vebreiteten eine Weltuntergangsstimmung, die selbst die tapfersten Optimisten nicht mehr unbeschwert ertragen konnten. Der tief dunkle Himmel hatte den Städtern eine Gefühllosig- keit aufgezwungen, bei der man die Zeit kaum noch nach Tag und Nacht unterscheiden konnte.

Die Schande und der Mut

Grölend zogen sie durch die mitternächtlichen Strassen des zwanzigtausend Seelenörtchen Burgfrieden. Was an anderen Tagen eher einer Friedhofsstimmung gleicht, wird heute brutal

Die Geschichte von der Geschichte

Fährt man mit dem Auto die Landstraße von Hupfkugel nach Astspringe, zwei niedlichen Orten im Tal wo die schönsten und kräftigsten Kühe des Landes weiden, erblickt man an dem ersten sanft ansteigenden Hügel ein rustikales Holzhaus. Es ist so geschickt platziert, dass es den ganzen Tag über sowohl von der Sonne beschienen wird, aber auch jeweils ein anderer Teil, die Abkühlung durch die wandernde Beschattung der hochaufragenden Eichen und Tannen bietet.

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